EZB setzt verstärkt auf Anleihen hochverschuldeter Staaten

Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft mehr und mehr Anleihen hochverschuldeter Staaten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Verglichen wurden die EZB-Anleihenkäufe aus dem Jahr 2015, in dem das Ankaufprogramm begann, mit den Anleihenkäufen aus dem Jahr 2017.

Vier Prozent mehr Anleihen aus Spanien, Frankreich, Italien, Belgien und Österreich

Im Jahr 2015 lag der Anteil der Anleihen aus Spanien, Frankreich, Italien, Belgien und Österreich an den gesamten Anleihenkäufen der EZB in diesem Jahr bei 59,0 Prozent. 2017 war der Anteil um vier Prozent höher. Er lag bei 63,3 Prozent. screenshot-zew-ezb-kapitalschluesselDamit kommt es zu immer stärkeren Abweichungen vom EZB-Kapitalschlüssel. Er dient als Steuerungsgröße für das Anleihenkaufprogramm und orientiert sich unter anderem am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU-Staaten.[1] Für Italien, Frankreich, Belgien und Österreich liegen die Anteile 2017 zehn Prozent höher, als sie laut EZB-Kapitalschlüssel sein sollten. Gemessen am BIP fiel zudem bereits im vergangenen Jahr auf, dass vor allem spanische und italienische Staatsanleihen überproportional vertreten sind.

Kein Land darf privilegiert werden

Prof. Dr. Friedrich Heinemann, der Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ und Autor der Studie, kommentiert die Ergebnisse so: „Mit Blick auf das laufende Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zur unkonventionellen Geldpolitik der EZB ist die Konzentration der Käufe auf die hochverschuldeten Staaten Wasser auf die Mühlen der Kläger. Eine rein geldpolitisch motivierte Maßnahme darf bei den Wertpapierkäufen kein Land privilegieren. Mit jedem Monat neuer Käufe verschärft sich die jetzt bereits sichtbare Übergewichtung der Schulden-Staaten. Damit wachsen die Zweifel an der Vereinbarkeit des Programms mit dem Verbot der monetären Staatsfinanzierung laut Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.“[2]

Problemfall Italien

Italien ist laut Heinemann einem besonderen Risiko ausgesetzt: „Für Italien deuten die Ergebnisse auf ein wirkliches Risikoszenario hin. Italien ist mit knapp 20 Prozent des BIP besonders stark durch die Anleihekäufe begünstigt und damit in seiner Finanzierung auch besonders davon abhängig geworden.“[3] Heinemann führt weiter aus: „Insgesamt wird die Zwickmühle deutlich, in welche sich die EZB manövriert hat: Die Abhängigkeit einzelner Länder von den Anleihekäufen ist inzwischen sehr hoch. Dies spricht gegen einen raschen Ausstieg. Geht das Programm aber weiter, dann wird sich diese Abhängigkeit noch weiter verschärfen.“

Was bedeutet die EZB-Politik für die Sparer?

Sparer, die auf Tages- und Festgelder setzen, leiden schon länger unter der Politik der EZB. Die EZB setzt auch den Europäischen Leitzins fest, der derzeit bei 0,0 Prozent liegt. Daran orientieren sich die Banken in Deutschland und Europa. Einige Institute bieten aber weiterhin attraktive Zinsen. So gibt es beim Tagesgeld der HSH Nordbank derzeit 0,80 Prozent Zinsen p.a., das Festgeld der BlueOrange Bank bietet 1,11 Prozent Zinsen p.a. bei einer Laufzeit von 24 Monaten (Stand jeweils: 25.01.2018).
Weiterführende Links [1] Friedrich Heinemann – Zur Aufteilung der PSPP-Anleihekäufe auf die Euro-Mitgliedstaaten [2] ZEW – EZB-Anleihekäufe konzentrieren sich zunehmend auf hoch verschuldete Staaten [3] FAZ – EZB kauft immer mehr Anleihen südeuropäischer Staaten