Reaktionen auf das Urteil des BVerfG zu EZB-Anleihekäufen

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) hat teils heftige Reaktionen nach sich gezogen. Das BVerfG hatte die Anleihekäufe vergangene Woche für teilweise verfassungswidrig erklärt. Bundesregierung und Bundestag sollen künftig die Verhältnismäßigkeit prüfen. Andernfalls darf die Bundesbank nach einer Übergangsfrist von drei Monaten nicht mehr an den Anleihekäufen teilnehmen.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Der Europäische Gerichtshof kritisiert das Urteil des BVerfG scharf
  • Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland könnte eingeleitet werden
  • Manche Stimmen halten die Unabhängigkeit der EZB für gefährdet

EuGH reagiert scharf

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies darauf hin, dass „ein im Vorabentscheidungsverfahren ergangenes EuGH-Urteil für das vorlegende nationale Gericht bindend ist“ [1]. Er hatte in einem eigenen Urteil bereits die Rechtmäßigkeit der Anleihekäufe festgestellt. Im Urteil des BVerfG sieht er eine Gefährdung des Europäischen Justizsystems. Nur ihm selbst obliege das Urteil darüber, ob eine Handlung gegen EU-Recht verstoße.

Der ehemalige Bundesfinanzminister und jetzige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erkannte im Urteil des BVerfG sogar eine Gefahr für den Euro. „Es kann gut sein, dass in anderen EU-Mitgliedstaaten nun auch der Bestand des Euro in Frage gestellt wird – weil ja jedes nationale Verfassungsgericht für sich urteilen könne“, sagte er.[2]

Allerdings wies er auch darauf hin: „Unabhängige Institutionen, die nicht demokratisch legitimiert und kontrolliert sind, müssen sich streng auf ihr Mandat begrenzen und dürfen es nicht zu weit auslegen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist also nicht ganz einfach zu widerlegen.“

Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland?

Sven Giegold, der für die Grünen im Europäischen Parlament sitzt, meinte: „Das Bundesverfassungsgericht nötigt die Bundesbank sowie Bundesregierung und Bundestag in einen Konflikt mit der EZB“[3]. Er wendete sich an die EU-Kommission mit dem Aufruf, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

Bei der ehemaligen Bundesverteidigungsministerin und aktuellen EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen stieß er damit auf offene Ohren. Das Urteil werde gerade analysiert. „Auf der Basis dieser Erkenntnisse prüfen wir mögliche nächste Schritte bis hin zu einem Vertragsverletzungsverfahren.“[4]

Die polnische Regierung erklärte das Urteil hingegen für wichtig und meinte, es seien die Mitgliedsstaaten, die bestimmen, wo die Kompetenzgrenzen von EU-Organen liegen. Zuletzt äußerte sich auch Vítor Constâncio, ehemals Vizechef der EZB: „Was mir große Sorgen bereitet, sind die Folgen für die Unabhängigkeit der EZB,“ meinte er.[5] Er warnt vor einer massiven Einschränkung der Geldpolitik.

BVerfG fühlt sich missverstanden

Bundesverfassungsrichter Peter Huber meinte indes: „Wir haben Applaus von der falschen Seite bekommen, und die Kritiker haben entweder die Stoßrichtung nicht verstanden oder wollen sie nicht sehen.“ [6] Er grenzte sich von Stimmen aus Polen und Ungarn ab. „Wir wollen also mehr EuGH, wir wollen, dass er seinen Job besser macht.“

Weiterführende Links

[1] Handelsblatt – EuGH sieht durch Karlsruher Urteil das EU-Rechtssystem gefährdet

[2] Handelsblatt – Schäuble sieht Fortbestand des Euro durch EZB-Urteil in Gefahr

[3] Tagesschau – EU prüft Verfahren gegen Deutschland

[4] Siehe Fußnote 3

[5] Handelsblatt – Ex-EZB-Vize zum Anleihenkauf-Urteil

[6] Handelsblatt – Verfassungsrichter verteidigt EZB-Urteil gegen Kritik