Geldpolitische Maßnahmen bleiben wirkungslos: EZB-Chef fordert Investitionen in Europa

Die Europäische Zentralbank hat ihr Pulver verschossen. Mehrere Leitzinssenkungen und die Einführung eines Strafzinses für Bankeinlagen haben als geldpolitische Maßnahmen ihr Ziel verfehlt. Die EZB hat ihren Teil zur Rettung der Euro-Zone getan, wie ihr Präsident Mario Draghi laut eines Agenturberichts am gestrigen Abend in Mailand verlauten ließ.

Das letzte Pulver verschossen?

Der Leitzins liegt mittlerweile nur noch auf 0,05 Prozent und damit nur noch 5 Basispunkte über der Null-Marke. Der Strafzins für die Einlagen der Banken bei der EZB wurde im Juni mit minus 0,10 Prozent eingeführt und bei der Ratssitzung im September in einem zweiten Schritt auf minus 0,20 Prozent erhöht. Zugleich hat der Rat der Europäischen Zentralbank den Aufkauf von Krediten von Unternehmen der Euro-Zone beschlossen. Doch die Aussage von EZB-Chef Draghi, dass die Notenbank ihren Teil zur Beendigung der Krise getan habe, lässt aufhorchen und hört sich sehr danach an, als hätten die Entscheider in Sachen geldpolitische Maßnahmen ihr letztes Pulver verschossen. Möglicherweise ist da zwischen den Zeilen sogar eine große Ratlosigkeit zu finden angesichts nicht wirkender Maßnahmen gegen die Krise.

Investitionen gefordert

EZB-Präsident Draghi fordert nun die Politik auf für die Beseitigung der Hemmnisse struktureller Natur zu sorgen. Der Arbeitsmarkt müsse dabei weg von seinen starren Regeln, Spielräume finanzpolitischer Art müssten im Rahmen der Vorgaben für den Stabilitäts- und Wachstumspakt genutzt werden, so der europäische Notenbank-Chef gestern in Mailand. Bei dem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs von EU28- und Euroraum-Staaten machte Draghi laut Reuters deutlich: „Regierungen können in diesem schon existierenden Rahmen Platz finden um produktive Investitionen zu unterstützen und die Finanzpolitik wachstumsfreundlicher gestalten, etwa durch Steuersenkungen oder indem sie unproduktive Ausgaben reduzieren.“

Die entscheidende Frage ist: Warum erst jetzt?

Der Ruf nach Veränderungen, den der EZB-Chef jetzt loslässt, hätte dieser nicht viel früher kommen müssen, bevor gleich mehrfach die Bazooka gezückt wurde? Es scheint, als hätte die Europäische Zentralbank bzw. viele derer Ratsmitglieder gedacht, man würde die Krise schon in den Griff bekommen mit den genutzten geldpolitischen Maßnahmen. Dies hat jedoch nicht funktioniert, die Inflationsrate in der Euro-Zone sinkt immer wieder, eine Wende der gesamtwirtschaftlichen Situation in der Währungsunion ist nicht in Sicht. Stattdessen bringt die weiter andauernde Niedrigzinsphase vor allem in Deutschland die Sparer um ihr Geld, in dem sie durch Minizinsen, die weit unter der (wohlgemerkt niedrigen!) Inflationsrate liegen, die Ersparnisse der Bundesbürger zu einer negativen Realverzinsung führen. Im Gegenzug dazu sinken die Zinsen für Verbraucher- und Unternehmenskredite nicht mehr in dem Maß, wie es nach einer Leitzinssenkung wünschenswert wäre und durch diese gewollt ist. Die Forderung nach Investitionen und dem Bereiten des Wegs dahin durch die einzelnen Staaten hätte längst kommen müssen. Nun aber haben sich Staaten wie Märkte daran gewöhnt, dass sich die Europäische Zentralbank unter ihrem gegenwärtigen Präsidenten als Regler der Geldpolitik und Retter der Euro-Zone gleichermaßen hervorgehoben hat. Die Worte Draghis können damit letztlich, zumindest zwischen den Zeilen, auch als eine Art Eingeständnis bewertet werden, dass man viel erreichen wollte, und nur wenig geschafft hat – und jetzt keine Ideen mehr hat, die noch umsetzbar wären.

Anleihekauf bleibt ein heißes Eisen

Eine Maßnahme, die bislang noch in den Schubladen der EZB lag, könnte jedoch die Wende bringen. Wie in den USA einstmals, so könnte die Wirtschaft in der Euro-Zone durch den Ankauf von Staatsanleihen wieder angetrieben werden. Doch dies ist ein heißes Eisen, das sich Herr Draghi wohl nicht anzufassen traut. Dies dürfte einen einfachen Grund haben: Die Ablehnung des deutschen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, der sich bereits vor einiger Zeit deutlich gegen den Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank ausgesprochen hat. Damit wird eine, wohlgemerkt nach wie vor sehr umstrittene, geldpolitische Maßnahme durch das wichtigste Mitgliedsland der Euro-Zone von vorneherein abgelehnt. Neben Schäuble müsste gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts der Bundestag zustimmen, was angesichts des Neins von Schäuble aller Voraussicht nach kaum zu bewerkstelligen wäre. Dies bedeutet: Nur durch Reformen in den einzelnen Staaten, die ineinander greifen und sich miteinander verzahnen können, sowohl auf staatlicher, politischer und wirtschaftlicher Ebene, kann es zu Investitionen im großen Stil kommen. Ob dies nicht nur auf dem Papier und damit in der Theorie, sondern in der Praxis gleichermaßen und damit in einer tatsächlichen Umsetzung überhaupt möglich sein wird?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert