Griechenland: Ein Fass ohne Boden

In Europa führt die Schuldenkrise zu einer steigenden Angst vor Staatspleiten und vor einem Zusammenbruch des Finanzsystems. Eine laufende Senkung der Bonitätsnoten durch Ratingagenturen ist die Folge. Der Staatsschuldenumgang erfährt über die Jahre hinweg eine Veränderung. Immer mehr Schulden werden aufgenommen, um Schlimmeres zu verhindern. Doch wie lange kann das – speziell in Bezug auf Krisenstaaten wie Griechenland – überhaupt noch gut gehen?

Das Schuldenthema beherrscht jetzt schon die Märkte. Jede noch so kleine Bewegung im Budgetsaldo wird mit Argusaugen verfolgt. Das war vor der Krise ganz anders. Ein echtes Schuldentrauma könnte für Politik und Bevölkerung übrig bleiben. Ist die Krise überwunden, wäre immer noch eine unheimlich starke Sensibilität gegenüber der Staatsverschuldung vorhanden. Die reformierte Euro-Zone bekommt härtere Regeln. Die Regierung hat weniger Spielraum bei der Budgetplanung und die staatlichen Ausgaben sind kleiner.

Das ist Griechenland

In Südosteuropa liegt der Mittelmeeranrainerstaat Griechenland. Die Grenzen des Staates treffen auf Bulgarien, die Türkei, Albanien und Mazedonien. Das Land gehört zur Europäischen Union und bildet zusammen mit insgesamt 17 EU-Mitgliedstaaten in der Eurozone eine Währungsunion. Griechenland ist Mitglied der Vereinten Nationen, der OECD, der NATO, der OSZE und des Europarats. Vom Human Development Index ist Griechenland als sehr hoch entwickelter Staat eingeschätzt.

Die griechische Finanzkrise – wie konnte es so weit kommen?

Die breite Öffentlichkeit nimmt die Haushalts- und Staatsschuldenkrise von Griechenland, die "griechische Finanzkrise", seit 2010 wahr. Die Entwicklung begann bereits in den Jahren vorher, doch die unterschiedlichen Regierungen von Griechenland hatten bis 2009 die Wirtschaftsdaten des Landes verschleiert, falsch dargestellt und falsch gemeldet. Die Auswirkungen führten nicht nur in Griechenland zu einer Staatsschuldenkrise, sondern weiteten sich zu einer Krise im gesamten europäischen Raum aus. Der griechische Staatshaushalt hat seit langem eine Struktur mit einem krisenhaft hohen jährlichen Defizit. Diese Nettoneuverschuldung ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass es mittel- oder langfristig mehr Ausgaben als Einnahmen gibt. Seit vielen Jahren überschreitet das Haushaltsdefizit in Griechenland in den EU-Konvergenzkriterien den Grenzwert des Bruttoinlandsprodukts deutlich. Der vereinbarte Grenzwert liegt bei maximal drei Prozent.

Bereits beim Eintritt von Griechenland in die Eurozone war der Schuldenstand des Landes deutlich höher. Der vereinbarte Grenzwert in den EU-Konvergenzkriterien lag dabei über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Seit 2003 liegt er bei 100 Prozent und steigt seither weiter an. Die Anzeichen verdichteten sich im April 2010, dass die griechische Regierung die fälligen Kredite nicht zurückzahlen könnte. Griechenland beantragte von der EU im April 2010 offiziell Hilfe, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Spar- und Konsolidierungsbemühungen waren im Gegenzug das Versprechen.

Die Rezession Griechenlands besteht seit 2008, was dem Land über 20 Prozent seiner Wirtschaftskraft raubte. Mit Ende des Jahres 2011 lag der Schuldenstand von Griechenland bei 170,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Nettoneuverschuldung im gleichen Jahr belief sich auf 21,3 Milliarden Euro.

Entstehung und Verlauf der Finanzkrise

Im Januar 2001 fand der Eintritt Griechenlands in die Eurozone statt. 2004 stellte Eurostat fest, dass die statistischen Daten, die Griechenland übermittelt hatte, nicht richtig sein können. Es lag die Vermutung nah, dass eine falsche Auswertung der Daten vom statistischen Amt Griechenlands und eine Lieferung gefälschter Daten von Behörden und Ministerien zugrunde lag. Eurostat veröffentlichte daraufhin einen Bericht im November 2004. Der Inhalt des Berichts beinhaltete die Revision der Zahlen vom griechischen Defizit- und Schuldenstand. Demnach war eine Falschmeldung der Zahlen in elf Einzelfällen vorangegangen.

Die New York Times berichtete am 13. Februar 2010, dass Griechenland in den letzten zehn Jahren bei der Verschleierung des Ausmaßes seiner Staatsverschuldung Hilfe von US-Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan hatte. Kredite, die neu aufgenommen wurden, besaßen eine Verbuchung als Währungsgeschäfte. Eine Abtretung von künftig zu erwartenden Einnahmen war die Gegenleistung. Dazu gehörten Einnahmen aus beispielsweise Lotteriegewinnen oder Flughafengebühren.

Die sozialdemokratische Partei PASOK gewann am 4. Oktober 2009 bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit der Parlamentssitze mit einem Stimmenanteil von 43,9 Prozent. Die Vereidigung von Giorgos Papandreou als neuer Ministerpräsident folgte zwei Tage später. Eine Finanzierung der versprochenen Ausgabenerhöhungen im Sozialbereich, die PASOK den Wählern versicherte, war nicht möglich. Der neue Finanzminister Giorgos Papakonstantinou musste bereits am 20. Oktober erklären, dass 2009 das Haushaltsdefizit deutlich höher lag. Sie belief sich nicht wie die Vorgängerregierung angab bei circa sechs Prozent, sondern bei 12 bis 13 Prozent. Die von den EU-Konvergenzkriterien vereinbarte Schuldengrenze war damit um ein Vielfaches überschritten. Das Einlösen der Zusage, die Griechenlands Regierung im Rahmen eines laufenden Defizitstrafverfahrens im April 2009 gegeben hatte, war nicht möglich. Laut Zusage sollte eine Rückführung des Staatsdefizit 2009 auf 3,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erfolgen.

Weiterer Verlauf im Fall Griechenland

Brüssel verlangte von der Regierung in Athen, über die Einsparungserfolge alle zwei bis drei Monate ausführliche Berichte zu liefern. Zudem setzte sich Griechenland das ehrgeizige Ziel, die Netto-Neuverschuldung bis 2012 unter die vorgesehene Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Stabilitäts- und Wachstumspakt zu drücken.

Brüssel forderte am 11. Februar 2010 auf einem EU-Sondergipfel den griechischen Ministerpräsidenten Papandreou, eine drastische Sparpolitik aufzustellen. Damit sollte eine Abwendung des Staatsbankrotts möglich sein. Die Gipfelteilnehmer hatten die Erwartung, die Finanzmärkte mit Solidaritätsbekundungen mit Griechenland beruhigen zu können, doch die Erwartungen wurden nicht erfüllt. Ende März 2010 kam es zu einer Einigung der Staats- und Regierungschefs aller Euro-Staaten, dass Griechenland eine finanzielle Unterstützung bekommen sollte. Die Ausgestaltung der Hilfsmaßnahmen war mit langen Kontroversen verbunden. Am 23. April 2010 folgte schließlich der offizielle Antrag um Finanzhilfe von der griechischen Regierung.

Griechenland bekam ein finanzielles Hilfsprogramm mit insgesamt 110 Milliarden Euro. Zu den Auflagen gehörte ein rigoroses Sparprogramm, das Griechenland umsetzen sollte. Die Märkte ließen sich durch die beschlossenen Hilfen für Griechenland allerdings nicht beruhigen. Ein weiterer Anstieg der Risikoaufschläge für griechische Staatsanleihen war die Folge. Aus diesem Grund einigten sich bei einem Gipfeltreffen die europäischen Staats- und Regierungschefs, die europäische Finanzstabilisierungsfazilität einzurichten. Dabei handelt es sich um eine Absicherung, die Mitgliedern im Fall einer Zahlungsunfähigkeit helfen soll.

Griechenland schaffte es dennoch nicht, die Finanzlage zu verbessern. Es wurden immer mehr neue Hilfspakete nötig, die dem Land helfen sollten. Strenge Sparmaßnahmen griffen nicht in der Art, wie es die anderen EU-Mitglieder wünschten. Die griechische Bevölkerung äußerte ihren Unmut in zahlreichen Protesten. Nachdem das griechische Parlament weitere Sparmaßnahmen ablehnte, forderte die EU einen überparteilichen Konsens für den Schuldenabbau. Weitere Hilfen sollten von einem neuen Sparpaket, welches das griechische Parlament beschließen sollte, abhängig sein.

Im Juli 2011 bekam Griechenland ein zweites Rettungspaket. Die griechische Neuverschuldung lag im ersten Halbjahr 2011 bei knapp 14,7 Milliarden Euro. Rund 16,7 Milliarden Euro waren für das gesamte Jahr geplant. Griechenland bemühte sich daraufhin, mit drastischen Einschnitten bei den Steuern und in sozialen Bereichen, die die Bevölkerung empfindlich trafen, Schulden zu senken. Beispielsweise wurde das Renteneintrittsalter erhöht und der Steuerfreibetrag gesenkt. Beamte bekamen für ein Jahr nur 60 Prozent ihres bisherigen Gehalts. Weitere Einschränkungen gab es in einem neuen Sparpaket, das Kürzungen von Renten und Gehältern vorsah, ebenso eine Streichung von Kinder- und Weihnachtsgeld. Kürzungen im Gesundheits- und Sozialwesen sollten ebenso anfallen.

Laut EU-Kommission hat Griechenland 380 Milliarden Euro Hilfe vom Ausland während der Krise bekommen. Die Hilfen erfolgten in Form von Krediten, Beihilfen und durch einen Schuldenerlass. Umgelegt würde der Betrag 177 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprechen oder einer Verschuldung je Einwohner von 33.600 Euro.

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