IWF nimmt Notenbanken in die Pflicht – EZB im Entscheidungsdilemma

Die Notenbanken müssen handeln beim Kampf für stabilere Finanzmärkte, dies ist die Ansicht der Chefin des IWF (Internationaler Währungsfonds), Christine Lagarde. Dies tat sich auch an diesem Wochenende wieder kund, bei einer Konferenz der Europäischen Zentralbank in Portugal. Der IWF nimmt damit die Notenbanken in die Pflicht, nicht nur geldpolitische Maßnahmen zu ergreifen und währungspolitische Entscheidungen zu treffen, sondern damit ist auch „Regulatorik und Fiskalpolitik“ gemeint, so Lagarde.

Niedrige Inflationsraten sorgen weiter für Unruhe

Der Knackpunkt der ganzen Problematik sind nach wie vor die niedrigen Inflationsraten in der Euro-Zone. Bei gleich mehreren Staaten ist die Teuerungsrate im negativen Bereich, bei anderen kommt sie einfach nicht in die Gänge. Und dies trotz aller Maßnahmen der EZB, die der Deflation längst den Kampf angesagt hat. Doch eine Inflationsrate von 0,7 Prozent im April dieses Jahres ist nach wie vor fernab der Jahresteuerungsrate von um die 2,0 Prozent, welche als stabil betrachtet wird – und damit zugleich auch das Ziel des Stabilitätsbestrebens ist. Nach wie vor verpuffen die Maßnahmen der EZB jedoch, wirklich in Schwung ist bislang kein einziges Land in der Euro-Zone gekommen, auch wenn ein historisch niedriger Leitzins für Impulse hätte sorgen sollen. Doch die vermehrte Kreditvergabe an Unternehmen bleibt nach wie vor aus, Staaten wie Italien haben gar mit einer Kreditklemme zu kämpfen, andere mit einer hohen Arbeitslosigkeit oder gar beidem.

Ein niedriger Leitzins = mehr Kredite an Unternehmen?

Nach wie vor scheint es eine Milchmädchenrechnung in der Europäischen Zentralbank zu geben, die da heißt: Ein niedriger Leitzins führt zu mehr Krediten an Unternehmen. Und zugleich zu einem höheren Konsum, weil die Verbraucher in der Euro-Zone niedrigere Zinsen für ihre Spareinlagen erhalten und sie dadurch den Lust am Sparen verlieren. Doch beide Rechnungen sind bislang nicht aufgegangen. Wie die MFI-Zinsstatistik für den Euroraum für März 2014 gezeigt hat, sind die Zinsen für Unternehmenskredite in der Euro-Zone wieder im Steigen begriffen. Und dies trotz eines niedrigen Leitzinssatzes von derzeit nur noch 0,25 Prozent. Damit wirkt der Hauptrefinanzierungssatz der Banken nicht auf die Entwicklung der Kreditzinsen in diesem Bereich ein, sondern wird von den solche Kredite vergebenden Banken mitunter sogar einfach ignoriert.

Tagesgeldrechner:

Festgeldrechner:

Zwar gab es im März dieses Jahres einen Anstieg bei der Vergabe von Unternehmenskrediten, wie die MFI-Zinsstatistik zeigte, doch mit einem Kreditvolumen von 108,87 Milliarden Euro liegt die Vergabe von Krediten an Unternehmen immer noch weit entfernt von dem Kreditvolumen vom März des vergangenen Jahres. Damals waren im Neugeschäft insgesamt 127,67 Milliarden Euro an Kredite an Unternehmen in der Euro-Zone vergeben worden. Und dies, obwohl der Leitzins damals sogar noch auf 0,50 Prozent und damit doppelt so hoch wie derzeit gelegen hatte.

Zinsen für Spareinlagen unterschiedlich hoch

Auch die Annahme, die Sparzinsen würden in Folge einer Leitzinssenkung flächendeckend fallen und der Konsum in der Euro-Zone damit angekurbelt werden, hat sich als falsch erwiesen. Zwar sind die Zinsen für Spareinlagen in Deutschland in den vergangenen Monaten immer weiter gefallen, und lagen im März dieses Jahres durchschnittlich für täglich fällige Einlagen im Neugeschäft auf nur noch 0,37 Prozent p.a., in anderen Ländern der Euro-Zone sah dies zum Teil jedoch ganz anders aus. Hier lagen die Zinsen für die Einlagen privater Haushalte mit einer vereinbarten Laufzeit von bis zu einem Jahr im Neugeschäft durchschnittlich auf 1,57 Prozent p.a. – und damit weit entfernt von dem durchschnittlichen Zinssatz, den es für diese Einlagen in Deutschland gab im März dieses Jahres. Hier lagen die Zinsen für die genannte maximale Laufzeit auf nur noch 0,69 Prozent p.a., was zugleich bedeutet, dass in anderen Ländern der Euro-Zone ein deutlich höheres Zinsniveau für Spareinlagen herrscht wie in Deutschland. Dies bedeutet zugleich eines: die niedrigen Sparzinsen führen nach wie vor hierzulande zu einer schlechten Sparneigung, was natürlich den Konsum ankurbelt – in Deutschland. In anderen Euro-Staaten kann dies ganz anders aussehen, auch bedingt durch die schlechten Konjunkturerwartungen und der aktuellen Lage der Wirtschaft. Das bedeutet: ein niedriger Leitzins führt einfach nicht flächendeckend zu dem, was sich die Europäische Zentralbank wünscht und was der IWF unter Christine Lagarde fordert. Dazu sind die Voraussetzungen für die unterschiedlichen Staaten im Euro-Raum einfach zu groß, als dass ein Bewegen des Leitzinssatzes eine einheitliche und flächendeckende Wirkung zeigen würde.

Leitzinssenkung erwartet!

Und dennoch. Auch wenn eine weitere Senkung des Leitzinssatzes wohl weiter nicht das bringen wird, was sie soll, so wird für die kommende Ratssitzung der EZB (am 5. Juni 2014) doch eine weitere Leitzinssenkung erwartet. Denn Mario Draghi hat auch auf der Konferenz in Sintra (nahe Lissabon) angekündigt, dass die EZB es nicht hinnehmen wird, wenn die Inflationsrate lange auf einem niedrigen Niveau bleiben würde. Erneut hat Draghi damit die Ankündigung gemacht, dass die Europäische Zentralbank bei ihrer nächsten Ratssitzung entsprechende Maßnahmen beschließen wird. Und eine dieser Maßnahmen wird, so ist es zu vermuten, eine Leitzinssenkung sein. Zwar (noch?) nicht Richtung null, aber ein Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes für die Banken auf nur noch 0,15 Prozent ist mehr als wahrscheinlich. Zugleich dürfte der EZB-Präsident wohl seine Drohung von einem negativen Einlagensatz für die Banken endlich wahrmachen, nachdem dieser Schritt vor allem in den letzten Tagen mehrfach immer deutlicher als wahrscheinlich proklamiert wurde. (Dazu hatte ich auch einen Artikel geschrieben, hier passend zum Verlinken!)

Doch ist Rettung wirklich in Sicht?

Nun, da Herr Draghi immer lauter wird, mögen ja einige vermuten, dass die ganze Sache, die er da vorhat, wirklich etwas bringen wird. Dies aber ist fraglicher denn je. Wie die bisherigen Maßnahmen kaum gegriffen haben im Kampf gegen die Eurokrise und damit einhergehend die schlechte Kreditvergabe und die niedrige Inflationsrate in der Euro-Zone, so werden auch die kommenden Maßnahmen kaum greifen. Und dies ganz egal, wie vollmundig diese angekündigt werden und wie viel Tamtam der EZB-Präsident oder andere Ratsmitglieder darum machen und machen werden. Eine wirkliche Rettung ist so nicht in Sicht. Diese wird wohl erst dann wirklich möglich sein, wenn ein klarer Schnitt gemacht wird quer durch die Euro-Zone, und es unterschiedliche Zinssätze und unterschiedliche Bedingungen für die einzelnen Staaten geben wird. Denn so ist das ganze ein Einheitsbrei, der alle Staaten gleichermaßen in einen Topf wirft, aber die verschiedenen Bedingungen selbst und die unterschiedlichen Situationen selbst, in denen sich die Länder im Euro-Raum befinden, nicht berücksichtigt. Dies kann einfach nicht zu einer Rettung der einzelnen Staaten wie auch nicht zu einer Rettung der Euro-Zone als Ganzes führen. Sondern wird die Lage möglicherweise nur noch verschlimmern.

Schäuble demontiert Anleihekäufe durch EZB

Und noch eine Meldung darf im Rahmen der neuen Aussagen des EZB-Chefs Mario Draghi nicht vergessen werden: das klare Statement unseres Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, der sich klar gegen den Kauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank stellt. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat Schäuble sich bei einer Diskussionsveranstaltung an der Uni Bielefeld klar gegen die Anleihekäufe gestellt und diesen keine Zukunft bescheinigt. Schäuble demontiert damit die Anleihekäufe durch EZB und macht Draghi damit zugleich einen großen Strich durch die Rechnung. Das OMT, das „Outright Monetary Transactions“, ist damit hinfällig und kann von der EZB nicht genutzt werden. Der Bundesfinanzminister fällt damit Draghi schon im Vorfeld einer möglichen Entscheidung hinsichtlich des selektiven Ankaufs von Staatsanleihen von Ländern aus dem Euro-Raum in den Rücken. Denn ohne seine Stimme wird es einen solchen Staatsanleihen-Ankauf nicht geben können, und damit wohl auch nicht werden. Denn Schäuble machte in Bielefeld klar: „Sie kann sie gar nicht treffen, weil sie sich an Voraussetzungen gebunden hat, über die sie nicht verfügt“, so Schäuble über die EZB. „Denn Entscheidungen des ESM sind einstimmig, und wir werden ein solches Programm nach dieser Ankündigung der EZB natürlich nicht beschließen.“

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