Spannungsfeld: Geldpolitik zwischen Inflationsbekämpfung und Konjunkturstimulierung

Wenn in Europa, insbesondere in Deutschland, viele Ökonomen die aktuelle Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) kritisieren, lohnt sich ein Blick in Richtung USA. Das Federal Reserve System, die US-Notenbank, betreibt seit der Finanzkrise 2008 eine weitaus stärker expansive Geldpolitik mit Leitzinsen, die nahe bei null Prozent liegen. Noch bis vor einigen Monaten hatte man befürchtet, dass die Konjunktur in den USA trotz der Flut an Liquidität nicht wieder in Schwung kommt. Diese Sorge ist zwar mittlerweile abgeschwächt, die Sorgen um die Folgen der Geldmengenausweitung verbreiten sich aber umso mehr. Denn in jedem VWL-Lehrbuch steht im Fachgebiet Geldpolitik meist zu Anfang: Bei stetiger Ausweitung der Geldmenge droht Inflation!

Dass die EZB oder gar die Fed in den kommenden Monaten wieder zu einer etwas restriktiveren Geldpolitik zurückkehren werden um die drohende Inflationsgefahr zu mindern, darf inzwischen wohl nicht erwartet werden. Die divergierende konjunkturelle Entwicklung innerhalb des europäischen Währungsraums lässt der EZB kaum Handlungsspielraum für Zinserhöhungen, wenn sie die Rezession in den von der Staatsschuldenkrise gebeutelten Eurostaaten nicht verschlimmern will. Zwar dürfen in den USA ernsthafte Schritte zu einer Zinserhöhung ebenfalls nicht kurzfristig erwartet werden, immerhin gibt es aber erste Spekulationen über einen derartigen Zinsschritt. Der Präsident der Notenbank von Minneapolis, Narayana Kocherlakota, hat angesichts der sinkenden Arbeitslosigkeit und der steigenden Inflationsgefahr erst heute auf diese Option hingewiesen.

Die Federal Reserve unterscheidet sich nämlich auch dahingehend von der EZB, dass sie zwei gesamtwirtschaftliche Ziele verfolgt. Zum einen ist sie für die Aufrechterhaltung der Preisstabilität verantwortlich, zum anderen auch für einen hohen Beschäftigungsstand. Da die Arbeitslosigkeit sich durch sich erholende Konjunktur in den USA langsam aber sicher in die Nähe einer Zielerreichung entwickelt, wäre durch eine Abkehr von der Niedrigzinspolitik möglicherweise auch die Erreichung des Inflationsziels möglich. Kritiker halten dem Notenbanker jedoch vor, dass man durch die zu frühe Einleitung einer restriktiven Geldpolitik die konjunkturelle Erholung auch wieder abwürgen kann und damit beide Ziele verfehlt.

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