Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Kauf von Staatsanleihen europäischer Länder niedriger Bonität in den vergangenen Tagen wieder ausgeweitet. Die Anzahl der Käufe lag in den vergangenen Tagen bei fast dem dreifachen Volumen der vorausgegangenen Woche und signalisiert damit einen weiter sehr expansiven geldpolitischen Kurs. Die Position "Bestand an staatlichen Wertpapieren" auf der Aktivseite der Zentralbankbilanz hat erst im Rahmen der Finanzkrise 2008 an Bedeutung gewonnen. Zuvor war fast ausschließlich auf das Refinanzierungsgeschäft über Forderungen gegenüber den Kreditinstituten gesetzt worden. Seit Mai 2010 kauft die Zentralbank allerdings Staatsanleihen auf um die Liquidität am Geldmarkt positiv zu beeinflussen.
Damit zählt diese Maßnahme zu den unkonventionellen geldpolitischen Instrumenten, die immer dann eingesetzt werden, wenn das geldpolitische Instrumentarium in einer monetären Ausnahmesituation außerstande ist die Finanzierungsbedingungen der Geschäftsbanken weiter zu verbessern. Diese Situation ist etwa im Rahmen der Finanzkrise 2008 und teils auch in der Schuldenkrise, die mit Griechenland im Jahr 2009 beginnt, vorgekommen. Die Geschäftsbanken haben sich aufgrund eines großen Vertrauensverlustes untereinander keine Mittel mehr am Interbankengeldmarkt geliehen. Die EZB reagierte mit Senkungen des Leitzinses und konnte – ähnlich wie andere Zentralbanken auf der Welt – dann aber aufgrund der natürlichen Zinsgrenze von null keine weiteren Zinssenkungen vornehmen. Wenn die Finanzierungsbedingungen nicht mehr durch weitere Zinssenkungen zu verbessern sind, müssen unkonventionelle Maßnahmen her. Die Ankäufe von Staatsanleihen zählen dabei zur quantitativen Lockerung, bei denen die Zentralbank ihre finanziellen Verbindlichkeiten mengenmäßig ausweitet. Qualitativ hat dies keinerlei Auswirkungen auf die Zentralbankbilanz, da sich die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit oder die Liquidität des Zentralbank-Portfolios durch die bloße Ausweitung nicht ändern. Dieses Szenario wird dann jedoch bei der qualitativen Lockerung relevant: hier wird direkt ein Einfluss auf das Risikoprofil der Zentralbank ausgeübt.
Ökonomen mahnen immer wieder, dass die derartig stark expansive Geldpolitik bei inflationären Tendenzen in ihre Schranken gewiesen werden muss. Daher ist schon nach Einsatz der beschriebenen Mittel empfohlen worden, die expansive Geldpolitik durch das Anheben des Leitzinses sowie die Rückführung der Bestände an Staatsanleihen langsam zu beenden. Die unkonventionellen Maßnahmen sollen dann eingestellt werden, wenn die Finanzmärkte wieder störungsfrei funktionieren. Bisher ist von einer derartigen Kehrwertende – auch in Anbetracht der aktuellen Meldung über die Staatsanleihenkäufe der EZB – nichts zu vernehmen.