Verzögert sich die Zinswende in den USA und Großbritannien?

Die Zinswende in den USA und im Vereinigten Königreich scheint seit Monaten wie in Stein gemeißelt zu sein. Immer mehr entsprechende Aussagen sind von Seiten der US-Notenbank Federal Reserve und der Bank of England gekommen. Doch nun könnte sich das Blatt gewendet haben. Die Zinswende könnte sich verzögern, möglicherweise sogar auf unbestimmte Zeit.

Zinserhöhungen waren im kommenden Jahr geplant

Für 2015 hatten beide Notenbanken bisher die Erhöhung des Leitzinssatzes ins Visier genommen. Die Fed hält den Leitzins für die USA seit mehreren Jahren auf null bis 0,25 Prozent, der Leitzins in Großbritannien befindet sich bereits seit längerer Zeit auf einem historischen Tief von 0,50 Prozent (siehe Grafik).

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Die Zinswende war bereits greifbar nahe, und sollte in den USA aller Voraussicht nach sogar schneller vorangehen, als es Experten in den letzten Monaten vermutet hatten. Doch nun steht über den Zinserhöhungen für das kommende Jahr ein großes Fragezeichen. Die Weltwirtschaft hat zu kämpfen, die Konjunktur wird gedämpft – vor allem die Probleme in der Euro-Zone könnten zum Zünglein an der Waage einer neuen Finanzkrise werden. Stanley Fischer, der Vizepräsident der Federal Reserve, machte auf der Herbsttagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds deutlich, dass der Ausstieg aus der Politik des lockeren Geldes länger ausfallen könnte als üblich, sollte das Wachstum im Ausland schwächer ausfallen. Die Konjunktur der anderen Staaten könnte dann zu einer geänderten Zinswende-Taktik der Fed führen.

IWF senkt Prognose für globale Konjunktur

Erst kürzlich senkte der IWF seine Prognose für 2014 auf 3,3 Prozent, für 2015 auf 3,8 Prozent. Im April dieses Jahres hatte die Jahresprognose des Internationalen Währungsfonds für 2014 noch auf 3,7 Prozent und damit um 0,4 Prozent höher als in der nun abgeschwächten Prognose gelegen. Daniel Tarullo, der Gouverneur der Federal Reserve, sieht darin einen besorgniserregenden Umstand für das weltweite Wirtschaftswachstum, wie er auf der Herbsttagung deutlich machte. Seiner Ansicht nach gibt es inzwischen mehr Abwärtsrisiken als Aufwärtsrisiken. Laut Tarullo müsse diese von der US-Notenbank bei ihrer Geldpolitik berücksichtigt werden.

Keine Zinswende in der Euro-Zone in Sicht

Während sich die Zinswende in Großbritannien und den USA vor einiger Zeit andeutete, sieht es in der Euro-Zone gänzlich anders aus. Die Europäische Zentralbank ist noch weit davon entfernt, den Leitzins wieder anzuheben. Im Gegenteil: Im September 2014 hatte sich der Rat der EZB für eine erneute Leitzinssenkung entschieden. Der Leitzins wurde von 0,15 Prozent auf einen neuen Rekordtiefststand von 0,05 Prozent gesenkt. Eine Zinswende könnte entsprechend noch Monate oder Jahre entfernt liegen. Dies wird im hohen Grade von den Sparkassen in Deutschland kritisiert. Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), fand im Rahmen einer Pressekonferenz zur Herbsttagung von Weltbank und IWF deutliche Worte. Fahrenschon: „Viele Probleme auf den Finanzmärkten sind nicht gelöst, sondern mit zu viel billigem Geld zugedeckt worden. Gleichzeitig steigen die globalen Ungleichgewichte. Dies alles ist nicht zuletzt Ergebnis von geld- und finanzpolitischen Maßnahmen zur Eindämmung der Krise.“

DSGV-Chef fordert Strukturwandel

Der DSGV fordert zudem Anpassungen der Strukturen –in den öffentlichen Haushalten und den Banken der Staaten der Euro-Zone. Fahrenschon: „Die heutige EZB-Politik überspielt mit zu viel und zu billigem Geld den Handlungsbedarf bei Banken und Staaten und konterkariert damit die auf mehr Stabilität ausgerichtete Finanzmarktregulierung“. Laut des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes ergäben sich „durch die Ultra-Niedrigzinspolitik in den USA und in Europa sowie die damit verbundene Liquiditätsschwemme…Gefahren einer gewaltigen Fehlsteuerung.“ Die Risiken würden in einer künstlich niedrig gehaltenen Zinslandschaft „nicht mehr richtig bepreist“, so der DSGV. Zudem sieht der Verband sehr großes Potential für Gefahren durch die sich langsam abzeichnenden unterschiedlichen politischen Richtungen in der Zinspolitik in der Euro-Zone auf der einen Seite und den USA und Großbritannien auf der anderen Seite. DSGV-Präsident Fahrenschon zu dieser Problematik: „Hier werden sich gewaltige Kapitalströme in Bewegung setzen. Das wird zumindest die aufstrebenden Länder vor erhebliche Probleme stellen und weitere Instabilitäten hervorrufen.“

Kommt eine neue Finanzkrise auf uns zu?

Bereits im Juni dieses Jahres hatte der Chef des ZEW, des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, vor einer neuen Finanzkrise gewarnt. Dem „Handelsblatt“ gegenüber äußerte sich Clemens Fuest damals deutlich. Fuest: Mich beunruhigt die Gefahr, dass die EZB mit ihrer Politik des billigen Geldes neue Blasen erzeugt“. Der ZEW-Chef weiter: „Wir haben alle Zutaten einer Blase: Die Preise an den Immobilien- und Aktienmärkten steigen immer weiter, und an den Bondmärkten sinken die Renditen trotz hoher Risiken.“ Fuest hat damals schon zugegeben, dass er ein „ungutes Gefühl dabei“ habe. Inzwischen mehren sich die Anzeichen dafür, dass Clemens Fuest nicht der Pessimist war, für den ihn viele vor einigen Monaten gehalten haben werden.

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