Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), das oberste Exekutivorgan der Bank, tagte gestern nicht wie gewohnt am Hauptsitz der Zentralbank in Frankfurt am Main, sondern ausgerechnet in Spanien: Die Spitzen der Zentralbank, zu dem die Mitglieder des EZB-Direktoriums sowie die Präsidenten aller nationalen Zentralbanken des Euroraums zählen, kamen in Barcelona zusammen um über den zukünftigen geldpolitischen Kurs und die Höhe des Leitzinses zu entscheiden. Das Ergebnis der Sitzung war, dass der Leitzins unverändert nach wie vor auf einem sehr niedrigen Niveau von einem Prozent belassen wird (siehe dazu unsere Statistiken hier). Dies hatten Ökonomen und Analysten bereits im Vorfeld so erwartet. Offenbar schien die Meinung im EZB-Rat diesbezüglich auch einstimmig gewesen zu sein, da EZB-Präsident Mario Draghi bemerkte, dass es keine großartigen Diskussionen darüber gegeben hätte.
Einige Ökonomen, insbesondere aus den europäischen Peripherieländern hatten angesichts der dortigen konjunkturellen Situation gemutmaßt, die EZB könnte aufgrund der anhaltenden Probleme im Rahmen der Staatsschuldenkrise weitere Hilfestellungen beschließen. Ein weiter sinkender Leitzins wäre beispielsweise zur Stimulation des Wirtschaftswachstums in Griechenland oder Spanien eine mögliche Gangart gewesen. Diesen Schritt trat die EZB jedoch nicht an und nimmt der europäischen Politik damit keine Arbeit ab. Die Zentralbank verweist demnach darauf, dass die Politik derartige Probleme lösen müsse und die Zentralbank fortan nicht mehr unterstützend tätig werden kann. Mit einer weiteren Zinssenkung ist demnach aktuell und offenbar auch in den kommenden Monaten nicht zu rechnen. Diese Hinweise wirkten sich schließlich auch auf die Finanzmärkte aus, die zumindest mit einer Andeutung einer weiteren Lockerung gerechnet hatten. Der DAX gab nach dem EZB-Statement leicht nach.
Politiker preisstabiler Länder, wie etwa Bundeswirtschaftminister Rösler, hatten eine genau entgegengesetzte Leitzinsänderung bevorzugt. Eine auf Dauer ausgerichtete Niedrigzinspolitik könne zu gefährlichen Entwicklungen und der Bildung von Preisblasen an den Vermögens- und Aktienmärkten führen, war die Befürchtung. Allerdings wurde von Seiten der EZB auch eine Leitzinsänderung in diese Richtung als eher unwahrscheinlich gedeutet. Demnach ist wohl auch weiterhin mit konstant niedrigen Zinsen und keinen großartigen Veränderungen zu rechnen.