Die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) befinden sich seit vergangenem Donnerstag auf dem historisch tiefen Niveau von 0,75 Prozent. Einen niedrigeren Leitzins hat es in der Geschichte der EZB bisher noch nicht gegeben. Die „Politik des billigen Geldes“ hat damit ein neues Niveau erreicht und stößt damit zum einen auf Skepsis, zum anderen aber auch auf Verständnis. Das Verständnis überwiegt dabei derzeit noch. Viele Bankenverbände und Volkswirte verkündeten als Reaktion auf die Entscheidung des EZB-Rates, die Zinssenkung wäre ein richtiger Schritt und angesichts der stabilen bzw. teilweise sogar rückläufigen Inflation (siehe dazu auch unsere aktuelle Statistik) auch vertretbar. Dass diese Meinung von Bankvolkswirten oder Angehörigen von Banken vertreten wird, ist dabei nachvollziehbar. Letztlich profitieren die Finanzinstitute von niedrigeren Leitzinsen, da damit auch die Refinanzierungskosten der Bank sinken. Dies bedeutet allerdings, dass Sparer, die Tagesgeld- oder Festgeldangebote nach attraktiven Zinsen durchforsten, in den kommenden Monaten voraussichtlich eher das Nachsehen haben werden.
Die EZB steuert mit ihrem geldpolitischen Instrumentarium den Tagesgeldsatz, der sich als Interbankenzins auf dem Geldmarkt im engeren Sinne bildet. Der Interbankenzins ist der Zinssatz, zu dem sich die Geschäftsbanken untereinander Kredite gewähren um einzelwirtschaftliches Liquiditätsmanagement zu betreiben. Die Refinanzierung über die EZB zum Leitzins oder aber über den Interbankenmarkt zum Tagesgeldsatz stellen zwei alternative Refinanzierungsformen für Geschäftsbanken dar und werden daher substitutiv verwendet. Damit begründet sich auch die enge Korrelation zwischen dem EZB-Leitzins und dem Interbankenzins. Steigt der Leitzins, steigt auch der Interbankenzins und umgekehrt.
Der erweiterte Zusammenhang besteht dann auch zwischen dem Interbankenzins und dem EZB-Leitzins auf der einen, und dem Sparzins für Tagesgeldsparer auf der anderen Seite. Denn auch die Einlagen der Bankkunden stellen für Banken eine Refinanzierungsoption dar. Damit verhalten sich die Sparzinsen gleichläufig zum Tagesgeld- und Interbankenzins. Da Letztere derzeit auf historisch niedrigem Niveau liegen, dürfte sich eine weitere Negativtendenz bei den Sparzinsen in Zukunft einstellen. Sparer könnten, wenn sie die Erwartung haben, dass sich die Zinsen auch in den kommenden Monaten nicht mehr deutlich erhöhen werden, nun versuchen, die Zinssenkung über die Wahl von höherverzinslichen Festgeldprodukten abzufedern.