Die Europäische Zentralbank (EZB) trägt die alleinige Verantwortung für die Geldpolitik in der Eurozone und wird in den kommenden Tagen wieder über eine Änderung des Leitzinses entscheiden. Die sogenannten Schattenräte diskutieren schon jetzt in vielen Medien über die Handlungsspielräume der Zentralbank und liefern der Öffentlichkeit damit aus unabhängiger Perspektive eine zweite Meinung. Darauf legen die Schattenräte im Übrigen wert: Es geht bei ihrer Arbeit nicht darum die Entscheidung der EZB zu prognostizieren sondern detaillierte Informationen über die Alternativen zu liefern. Dies soll das Verständnis der Geldpolitik bei der Öffentlichkeit erhöhen, denn die EZB informiere nur unzureichend über die verschiedenen Optionen, über die sie verfügt.
Der EZB-Schattenrat, der für das Handelsblatt über die europäische Geldpolitik debattiert, setzt sich aus renommierten Volkswirten aus ganz Europa zusammen. Darunter der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, der Chefvolkswirt Europa von Barclays Capital, Julian Callow oder der Chefvolkswirt des Baukonzerns Cemex, Manuel Balmaseda. Die Meinung ist zwar nicht ganz eindeutig, allerdings plädiert durchaus ein Großteil der Schattenräte für eine Zinssenkung. Die EZB solle die Leitzinsen weiter senken um dadurch der gefährlichen Verknappung von Krediten in der Eurozone entgegenzuwirken. Derzeit befindet sich der Leitzins der EZB auf dem Niveau von einem Prozent. Tiefer lag der Leitzins in der Geschichte der EZB bisher noch nie.
Niemand plädierte für eine Zinserhöhung, vier der 15 Räte plädierten für weiterhin konstante Leitzinsen. Die Senkung der Leitzinsen soll der rezessiven Tendenz in der Eurozone entgegenwirken. Durch die sich abschwächende Konjunktur drohe eine Rezessionsgefahr, die durch die Verknappung von Krediten noch weiter verschärft werden könne. Deswegen sollen die Finanzierungsbedingungen in den Volkswirtschaften durch Zinssenkungen weiter verbessert werden. Wenn die Zinsen gesenkt werden, können sich die Banken bei der EZB zu günstigeren Konditionen refinanzieren und im Umkehrschluss auch Kredite für die Realwirtschaft zu günstigeren Krediten bereitstellen. Dies soll die Investitionen und damit das Wirtschaftswachstum anregen.