Am kommenden Donnerstag tagt der EZB-Rat um über die weitere Ausrichtung der Geldpolitik der Zentralbank zu beraten. Nachdem in den vergangenen Tagen mehreren EZB-Vertreter Andeutungen der Art gemacht haben, dass die Zentralbank jederzeit in der Lage sein durch weitere expansive Impulse die Konjunktur zu stimulieren, gehen Volkswirte nun von einer weiteren Zinssenkung aus. Da sich das konjunkturelle Umfeld in der Eurozone fortlaufend eintrübt, könne mit einer Zinssenkung unter die Grenze von 1 Prozentpunkt gerechnet werden, so die Experten. Man rechnet mit einer Absenkung um 25 oder gar 50 Basispunkte auf 0,75 oder 0,5 Prozent – was noch niedriger wäre als der ohnehin schon historisch niedrige Leitzins von 1,00 Prozent, dessen Entwicklung Sie hier nachvollziehen können. Dies ist zumindest die mehrheitliche Meinung derjenigen Ökonomen, die in einer Schattenratssitzung die Maßnahmen diskutiert haben, die sie anstelle der EZB ergreifen würden.
Ein wichtiger Grund für die Annahme weiterer expansiver geldpolitischer Impulse ist nicht nur das schlechte konjunkturelle Umfeld in den südeuropäischen Staaten. Während man sich hier in einer starken Rezession befindet, kommen auch die großen Gewichte der Eurozone zunehmend ins schwanken. Auch Deutschland, so die Volkswirte, drohe wirtschaftlich einzubrechen, da die Inlandsnachfrage relativ schwach ist und die Auslandsnachfrage ebenfalls schwächer wird. Letzteres hat insbesondere damit zu tun, dass die Nachfrage nach deutschen Exporten aus großen Wachstumsländern wie China aber auch den USA zunehmend schwächer wird. Angesichts dieser Entwicklung könnte eine expansive Geldpolitik mit dazu beitragen, die vermutlich harte Landung der Wirtschaft abzufedern.
Im EZB-Schattenrat gibt es allerdings auch Stimmen, die sich nicht nur klar gegen eine weitere Zinssenkung positionieren, sondern auch nicht davon ausgehen, dass der tatsächliche EZB-Rat sie beschließen wird. Viele hadern noch mit der historischen Schwelle von einem Prozent, die bisher noch nie in der Geschichte der EZB unterschritten wurde. Der Chefvolkswirt der EZB, Peter Praet, hat jedoch erst kürzlich vor einem Hemmnis gewarnt, die Zinsen unterhalb dieser Schwelle zu setzen. „Es gibt keine Doktrin, die besagt, dass der Leitzins nicht unter 1,0 Prozent liegen kann“, sagte Praet in der letzten Woche.