Die Inflation ist wie von Bankvolkswirten schon vor einigen Wochen prognostiziert zum Ende des Jahres 2011 zurückgegangen. Diese aktuelle Tendenz steht zwar in einem starken Kontrast zur aktuellen geldpolitischen Ausrichtung der Europäischen Zentralbank (EZB), gleichwohl dürfte sie dem EZB-Präsidenten Mario Draghi jedoch neuen Spielraum und Zeit zum durchatmen geben. Die derzeitige Inflationsrate wird für das laufende Jahr im Durchschnitt nach Prognose des Handelsblatts und der Volkswirte der RBS bei etwa 2,1 Prozent liegen. Damit schwankt die prognostizierte Inflationsrate für den Euroraum um ihren Zielwert von 2 Prozent.
Im Vergleich zum Herbst 2011 ist dies eine erhebliche Verbesserung. Um September vergangenen Jahres herum war die Inflationsrate noch mit 3 Prozent deutlich einen Prozentpunkt über der Preisnorm der EZB und hätte eigentlich eine langsam restriktiv werdende Geldpolitik notwendig werden lassen. Der konträre geldpolitische Kurs befeuert den Preisanstieg jedoch nicht, eher im Gegenteil. Sehr optimistische Volkswirte sprechen sogar von Inflationsrate von durchschnittlich 1,5 Prozent im Euroraum und überbieten damit den Handelsblatt-RBS-Indikator noch weiter. Welchen Gehalt die Prognosen tatsächlich haben, bleibt abzuwarten. Die Prognose vieler Bankvolkswirte im vergangenen Jahr, dass der Höhepunkt der Inflation jedoch erreicht sei und in Zukunft nun mit niedrigeren Preissteigerungsraten zu rechnen sei, war jedoch völlig zutreffend.
Für die rückläufige inflationäre Tendenz gibt es von den Bank-Research-Abteilungen mehrere Erklärungsansätze. Ganz allgemein wird die sich abkühlende Konjunktur angeführt. In einem rezessiven wirtschaftlichen Umfeld ist es für Unternehmen schwierig Preiserhöhungen durchzusetzen. Daher werden die Preise eher auf ihrem bisherigen Niveau stagnieren oder sogar rückläufig sein um die Nachfrage weiter aufrecht zu erhalten. Zudem sind von Lohnseite her keine Preissteigerungen zu erwarten, da auch Lohnerhöhungen angesichts der sich abkühlenden Konjunktur nicht realistisch sind. Durch Lohnkürzungen oder möglicherweise sogar drohende Kurzarbeit wird eine negative Tendenz der Inflationsrate erwartet.
Durch diese Prognosen steigt der Spielraum für die EZB auch weiterhin expansive geldpolitische Maßnahmen durchzuführen. Etwa durch weitere Senkungen des Leitzinses. Wie sich ein sehr niedriger Leitzins und die vielen weiteren außerordentlichen expansiven Maßnahmen auf die Inflationsrate auswirken, bleibt jedoch weiterhin fragwürdig. Über diesen Zeitraum sind dann wohl wieder durch die Geldmengenausweitung erhöhte Inflationsraten zu erwarten.