Direkt in der ersten Sitzung des EZB-Rats, dem Exekutivorgan der Europäischen Zentralbank, hat der neue Präsident eben dieser überrascht: Der Italiener Mario Draghi läutet schon in der ersten Sitzung unter seiner Führung eine Wende der Leitzinsen ein. Der Rat beschließt eine Senkung der Leitzinsen von 1,5% auf 1,25% – zur großen Überraschung aller Experten.
So hatten im Vorfeld viele Ökonomen und Professionals aus der Finanzbranche die Meinung geäußert, dass sich Draghi wohl zunächst zurückhalten werde um dem ihm aktuell noch anheftenden Klischee des europäischen Südländers, der eher locker mit Inflationstendenzen umgeht, nicht direkt gerecht zu werden. Nun muss er sich diesen Vorwurf allerdings verstärkt stellen und Kommentare in Kauf nehmen, die ihm vorwerfen durch die Leitzinssenkung günstigere Bedingungen für die Südstaaten Europas schaffen zu wollen.
Auch wenn Mario Draghi alias Super-Mario in Fachkreisen als hochrespektierter Experte gilt – das Image des unabhängigen Stabilitätspolitikers muss er sich im aktuell extrem unsicheren geld- und finanzpolitischen Umfeld erst noch erarbeiten. Die Diskussion, ob es bei den Entscheidungsträgern der der Zentralbank einen Zusammenhang zwischen ihren Voten und ihrer Nationalität gibt, ist nicht neu. Zahlreiche Studien beschäftigen sich mit der Frage, ob die Entscheider eher auf die Bedürfnisse ihrer Heimatstaaten Rücksicht nehmen und daraus entsprechend geldpolitische Maßnahmen einfordern oder ob sie sich tatsächlich am Wohlergehen der gesamten Eurozone ausrichten.
Der Ausblick für Sparer und Geldanleger wird durch die Senkung der Leitzinsen, die durch die voraussichtliche konjunkturelle Abkühlung in den kommenden Monaten begründet worden ist, ebenfalls etwas eingetrübt. Die Konsequenz aus der Zinssenkung ist eine Vergünstigung der Bankenrefinanzierung. Damit wird es wieder günstiger für Banken, sich bei der EZB Geld für ihre Aktivitäten zu leihen. Die Alternative zum Geldleihen bei der EZB ist das Geldleihen von Privatanlegern über Tagesgeldkonten, Festgeldkonten und viele weitere Produkte. Dementsprechend sinken im Anschluss an den Leitzins voraussichtlich auch die Zinsen für Sparanlagen von Kunden.